Psalm 91
Andacht zu Psalm 91
„Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ Dieser Satz aus Psalm 91 ist eine der beliebtesten Verse, die sich Eltern für die Taufe ihres Kindes wünschen. Jetzt während der Corona-Krise hat dieser Psalm eine besondere Bedeutung.
Am 12. März sprach Peter Frey, der Chefredakteur des ZDF, selbst den Kommentar im „heute-journal“. An diesem Abend war es klar, dass das Coronavirus auch für unser Land und damit für jeden von uns eine aggressive Bedrohung bedeutet. Was Peter Frey zu sagen hatte, beendete er mit dem Hinweis auf einen Roman, den er seit seiner Schulzeit kennt: Albert Camus, Die Pest, verfasst im Jahre 1947. Hier wird erzählt, wie die Pest in einer nordafrikanischen Stadt das Leben beherrscht. Ein Arzt entdeckt zuerst eine tote Ratte, dann immer weitere; dann packt es die Menschen. Ein langes Ringen mit der Seuche beginnt. Peter Frey fasst zusammen: „Ein Arzt kämpft gegen alle Widrigkeiten und ziemlich alleine gegen die Krankheit. Es leitet ihn eine fast absurd erscheinende Hoffnung und Menschlichkeit.“ Camus, ein Schriftsteller, dem alles, was der Mensch in seiner persönlichen Existenz erlebt, das Höchste und Bedenkenswerteste ist, beschreibt, was nun in dieser abgeriegelten Stadt an Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen auftritt. Man könnte aus diesem Buch hunderte Sätze zusammentragen, die ausdrücken, was wir in den letzten Wochen erlebt haben.
Ich habe nach diesem Buch gegriffen und es gelesen. Aber ich habe auch die Bibel aufgeschlagen und nachgeschlagen, was dort über die Pest und die Plagen zu finden ist, auch in Ps 91: „Er wird dich mit seinen Fittichen decken, … dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der Nacht, vor dem Pfeil, der des Tages fliegt, vor der Pest, die im Finstern schleicht.“ (V.4-6) Der Beter dieses Psalms breitet seine Angst vor den Gefahren aus. Um Seuchen, die ausbrechen und unter Menschen grassieren, hat man schon immer gewusst, und dann haben Menschen zu Gott gebetet und gebettelt, sie davor und darin zu bewahren.
Die Pest gehört zu den Krankheiten, die die Menschen vielfach im Volk Gottes erlitten haben und von denen im Alten Testament häufig die Rede ist. Gott lässt sie immer wieder unter den Menschen im Alten und im Neuen Testament zu. Wer in diesen Wochen Orientierung sucht, lese still für sich, wie in 2. Mose 7-11 die 10 Plagen in Ägypten verhängt werden, wie David nach seiner eigenmächtigen Volkszählung zwischen Hunger, Flucht und Pest wählen sollte (2. Sam 24), wie die Propheten in Jer 14,12; Hes 14,12-20 und Am 4,12 den Hunger, das Schwert und die Pest ankündigen. Und man wage es auch, sich mit den Texten über die 7 Siegel, die 7 Posaunen und die 7 Schalen in Offb 6; 8 und 16 vertraut zu machen.
Im Zentrum der Bibel steht Jesus von Nazareth. Zu der Art, in der er die Liebe Gottes den Menschen nahe brachte, gehörte es, dass er zu den Menschen in ihren Ghettos, zu den Bettlern am Straßenrand und zu den Kranken in ihren Nöten gegangen ist. Jesus wandte sich den Menschen zu, die zu seiner Zeit am schlimmsten geplagt wurden.
Ps 91 bietet sich all denen an, die jetzt beunruhigt sind und sich fürchten, in der nächsten Zeit vom Coronavirus infiziert zu werden, und die um die Zukunft ihres Handwerkbetriebes oder ihres Unternehmens bangen. Mit den Worten dieses Psalms dürfen und sollen wir beten. Ganz besonders schön finde ich dann den Schluss dieses Textes. Lesen Sie selbst die Verse 14-16. Auf einmal taucht in diesem Gebet eines Menschen eine Gottesrede auf. Gott selbst beschreibt seine Liebe zu dem Menschen, der sich hier zu ihm wendet. Zählen Sie selbst: 3 x wird benannt, was der Mensch in seinem Verhältnis zu Gott tut; 8 x was Gott diesem Menschen tut und wie er ihn umhüllt:
(V14) „Er liebt mich, darum will ich ihn erretten;
er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen.
(V.15) Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören;
ich bin bei ihm in der Not,
ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.
(V.16) Ich will ihn sättigen mit langem Leben
und will ihm zeigen mein Heil.“
Wir dürfen uns aber auch dies vor Augen führen:
Nach den Plagen in Ägypten folgte der Durchzug durch das Rote Meer und die Wüstenwanderung; dann aber zog das Volk Israel in Kanaan, in das verheißene Land, ein und fand hier seine Heimat (Jos 11,16-23).
David wählte die Pest; aber dann wurde dem David der Ort gezeigt, an dem Salomo später den Tempel baute (1. Chr 21,28; 2. Chr 3,1).
Die Propheten sind – trotz aller Gerichtsworte – ausgerichtet auf den Messias, den Gott senden wird (Jes 9,5f; Sach 9,9).
Und schließlich: Nach den Gerichtsvisionen des letzten Buches der Bibel folgen in Offb 21 und 22 die Visionen, die Gottes völlig neue Welt zeigen.
Wo Menschen aus welcher Not auch immer heraus zu Gott beten und mit Gott ringen, da will er antworten, helfen und heilen.
Hartmut Frische, Pfr. i. R., Minden-Hahlen,