Im Banne des aggressiv und global agierenden Coronavirus
Minden-Hahlen, in der Passionszeit 2020
Als Nachfolger Jesu gehöre ich zu denjenigen, die bei aufbrechenden Fragen in der Bibel Orientierung suchen und oft gefunden haben. Nun wird das Leben in den Städten und Ländern seit wenigen Wochen von dem aggressiven und global agierenden Coronarvirus bestimmt. Wer also persönlichen Trost, Durchblick und Weisung erhalten will, braucht eine Botschaft, besser eine Wirklichkeit, die den Erdball umspannt. Was auch immer in diesen Tagen und Wochen geschieht und was auch immer in den kommenden Monaten uns in Atem halten wird, ich schlage meine Bibel auf und möchte sie mit allem, was in mir ist, das Ihre sagen lassen.
Seit dem Dezember 2019, spätestens seit dem Januar dieses Jahres, wissen wir um die verheerenden Wirkungen des Coronavirus. Zunächst war alles weit weg, im fernen China; in der Stadt Wuhan, in der Provinz Hubei wurde der Virus identifiziert. Aber die Zahl der Infizierten wuchs beängstigend an. Am 30.01.2010 rief die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seinetwegen eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite aus. Inzwischen sind Europa und da besonders Italien zu dem Epizentrum einer Pandemie geworden. Dieser Virus bewirkt leichte und schwere Krankheitsverläufe; erschreckend viele Infizierte müssen sterben.
Strikte Hygienemaßnahmen
Da dieser Virus eine Inkubationszeit von 14 Tagen hat, weiß keiner, ob er bereits an Covid 19 erkrankt ist und ob er bereits einer derjenigen ist, von denen der Virus schon auf andere überspringen konnte. Seit Wochen drängen Ärzte und Politiker darauf, strikte Hygienemaßnahmen zu beachten, an die sich ganz viele inzwischen halten.
Virologen, Ärzte, Politiker und Journalisten haben inzwischen leidenschaftlich dazu aufgerufen, diesen Aufforderungen, aus denen inzwischen einschneidende gesetzliche Bestimmungen geworden sind, Folge zu leisten. Es erfordert die Unterstützung eines jeden Bürgers, mit dafür zu sorgen, dass unser an sich leistungsfähiges Gesundheitssystem nicht unter der zu erwartenden großen Menge der leicht oder schwer Erkrankten zusammenbricht.
Mir hat sich dazu der Satz einer Philosophin in einer der talk-shows der vergangenen Tag eingeprägt: „Ich bin wütend darüber, dass wegen der Coronavirus-Krise kaum noch an die anderen Krisenherde dieser Welt gedacht wird!“, an die Flüchtlinge zwischen Syrien und Griechenland, an den Kampf gegen rechtsradikale Strömungen bei uns und bei anderen in Europa und an den Kampf gegen islamistische Terroristen. Ich füge hinzu: Noch einmal deutlicher rücken die verfolgten Christen in aller Welt in den Hintergrund. Auch an das Aufhalten der Erwärmung der Atmosphäre unseres Planeten wird kaum noch gedacht.
In einer ungewöhnlichen Fernsehansprache am 19.03.2020 sagte die Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames Handeln ankommt.“ Und dann weiter: „Es kommt auf jeden an. Wir sind nicht verdammt, die Ausbreitung des Virus passiv hinzunehmen. Wir haben ein Mittel dagegen: wir müssen aus Rücksicht voneinander Abstand halten.“
Viele, auch ich, haben jetzt tage- und wochenlang in Fernsehsendungen unterschiedlichste Berichte und Erklärungen, dazu Zahlen der Infizierten, der inzwischen Gestorbenen und der bereits wieder Genesenen gehört. Wie viele Berichte und Stellungnahmen haben wir in Zeitungen und Illustrierten gelesen! Dringend warten wir auf den Tag, an dem Wissenschaftler sagen: „Nach fieberhaftem Forschen haben wir einen Impfstoff gefunden. Er ist erprobt; nun kann er massenhaft angewendet werden.“
Gottesdienste müssen ausfallen
Leider, leider müssen nicht nur Sportveranstaltungen jeder Art, Konzerte und Theateraufführungen ausfallen. Auch Gemeindekreise, Chöre und sogar die Gottesdienste wurden für die nächsten Wochen abgesagt. Menschen dürfen nicht zusammenkommen, miteinander über das Geschehen sprechen, zusammen beten und nach dem Wort Gottes suchen, das in diese Situation hinein trifft, das aufrüttelt und ermutigt. Jede Situation, in der Menschen zusammensitzen oder stehen, kann zur Übertragung des Virus führen. Erfreulich ist es, wie viele Ideen inzwischen entwickelt wurden, um auf medialen Wegen Kontakte zu halten, Gemeinschaft zu pflegen und zu trösten.
Es mag Menschen geben, die Zuflucht suchen zu Gott, indem sie an den 4. Vers von Psalm 23 denken: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“
Ein anderes Wort, nach dem wir greifen möchten und in dem alles gesagt zu sein scheint, ist der Satz Jesu: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Joh 16,33) Mitten in der Angst, die sich unter uns breit macht, spricht hier derjenige zu uns, dem „alle Gewalt im Himmel und auf der Erde“ gegeben ist (Mt 28,18). Bei jeder Taufe eines Kindes, eines Jugendlichen oder eines erwachsenen Menschen wurde dieser Satz zitiert.
Wieder andere flüchten sich zu der Verheißung, die Gott dem Noah nach dem Ende der Sintflut zusprach: „Solange die Erde besteht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose 8,22) Schon auf den ersten Seiten der Bibel wird hier versprochen: Von diesem Zeitpunkt an, als sich die Wasser verliefen, bleiben die Rhythmen des Lebens in Takt, auch das Ein- und Ausatmen, auch der Pulsschlag des Herzens. Nach jenen Texten aus den Urgeschichten setzte Gott als Zeichen seiner Verbundenheit mit den Menschen und der Erde den Regenbogen in die Wolken. Gerhard von Rad, ein Ausleger des Alten Testamentes, schreibt: An dem Regenbogen „soll die durch die chaotischen Elemente erschreckte Menschheit immer neu Zuversicht schöpfen, dass Gott diesen Äon doch tragen will und den Bestand seiner Ordnungen garantiert“[1].
Es ist gut, hier und heute nach Gott zu fragen. Manch einer spürt: Bei der Verbreitung des Coronavirus sind Kräfte am Werk, die größer als wir Menschen sind, und das sind zerstörerische Kräfte.
Wie Albert Camus 1947 die Pest beschreibt
Ein Kommentar in der „heute“-Sendung des ZDF am 12.03.20 hat mich aufhorchen lassen. An diesem Abend war es klar, dass der Coronavirus auch für unser Land und damit für jeden von uns eine aggressive Bedrohung bedeutet. Hier ergriff Peter Frey, der Chefredakteur des ZDF selbst, das Wort, und er beendete das, was er zu sagen hatte, mit dem Hinweis auf einen Roman, den er seit seiner Schulzeit kennt: Albert Camus, Die Pest, verfasst im Jahre 1947[2].
Dieser Roman erzählt, wie die Pest in einer nordafrikanischen Stadt, mitten in einer französischen Kolonie, das Leben beherrscht. Ein Arzt entdeckt an der Ecke eines Hauses eine tote Ratte; dann beobachtet er, wie eine zweite Ratte krank daher taumelt; immer mehr Ratten tauchen auf und verenden. Dann packt es die Menschen. Peter Frey fasst zusammen: „Ein Arzt kämpft gegen alle Widrigkeiten und ziemlich alleine gegen die Krankheit. Es leitet ihn eine fast absurd erscheinende Hoffnung und Mitmenschlichkeit.“ Camus, ein Schriftsteller, dem alles, was der Mensch in seiner persönlichen Existenz erlebt, das Höchste und Bedenkenswerteste von allem ist, beschreibt, was nun in dieser abgeriegelten Stadt an Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen auftritt. Sogar mit den religiösen Empfindungen des Menschen setzt sich Camus sensibel auseinander. Für Camus aber heißt es zu kämpfen, mag der Kampf auch letztlich aussichtslos sein und mögen Siege gegen die Pest auch immer vorläufig bleiben.
Gott ist Schutz auch in der Pest
Das Wort „Pest“ ist auch in der Bibel von Bedeutung. Von den vielen Stellen, die zu dem Wort „Pest“ in der Konkordanz[3] zur Lutherbibel verzeichnet sind, will ich auf diese eine hinweisen. In Ps 91 steht der beliebteste Vers, der heute bei Taufen von Eltern für ihr Kind ausgesucht wird: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ (V.11) In den Versen 4-6 aber werden die Gefahren beschrieben, die den Menschen auflauern: „Seine Wahrheit ist Schirm und Schild, dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der Nacht, vor dem Pfeil, der des Tages fliegt, vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt.“ Um Seuchen, die ausbrechen und unter Menschen grassieren, hat man schon immer gewusst, und dann haben Menschen zu Gott gebetet und gebettelt, sie davor zu bewahren.
Die Pest gehört zu den Krankheiten, die die Menschen vielfach im Volk Gottes erlitten haben und von denen im Alten Testament häufig die Rede ist[4]. Sie gehört zu den Plagen, die Gott dem AT und dem NT nach immer wieder zulässt. Man lese still für sich, wie in 2. Mose 7-11 die zehn Plagen über Ägypten verhängt werden, wie die Propheten in Jer 14,12, Hes 14,12-20 und Am 4,12 den Hunger, das Schwert und die Pest dem ankündigen, und man wage es auch, die Texte über die 7 Siegel, die 7 Posaunen und die 7 Schalen in Offb 6; 8+9 und 15+16 zu bedenken.
Wir dürfen es nicht übersehen, dass Jesus in seiner letzten Rede, in seiner Rede über die Endzeit lapidar gesagt hat: „Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.“ (Mk13,31) Ebenso wie ein Mensch weiß, dass er eines Tages sterben muss, wird uns hier vor Augen gestellt: Es kommt der Tag, da werden unsere Erde und der ganze Kosmos zu seinem Ende kommen. Es hat immer wieder auf dieser Erde ganz unterschiedliche Erschütterungen gegeben. Wenn es mit dieser Erde aber zu Ende geht, werden sich diese Erschütterungen häufen.
Jesus war geplagten Menschen besonders nahe
Nun steht im Zentrum der Bibel Jesus von Nazareth, der Gottes- und Menschensohn, der Messias Israels und der Heiland der Welt. Zu der Art, in der er die Liebe Gottes den Menschen nahe brachte, gehörte es, wie er immer neu zu den Aussätzigen in ihren Ghettos, zu den Bettlern am Straßenrand und zu den Kranken in ihrer Not ging. Ich weise nur hin auf die Frau, die eine Blutkrankheit hatte; ihre vielen Besuche bei Ärzten hatten nichts gebracht; so ging sie dorthin, wo sie Jesus treffen konnte. Sie glaubte an ihn, und schon als sie seine Kleider berührte, wurde sie gesund. In Mk 5,29 heißt es: „Sie spürte es am Leibe, dass sie von ihrer Plage geheilt war.“ In seiner großen Liebe ging Jesus auf die Menschen zu, die zu seiner Zeit am schlimmsten geplagt waren.
Das Leben Jesu aber erreichte seinen Höhepunkt da, wo die führende Schicht des Volkes Israel ihn endgültig ablehnte, wo diese ihn dem römischen Statthalter Pontius Pilatus übergab und wo dieser Jesus verurteilte und kreuzigen ließ. Jesus selbst hat es so gesehen und die Urgemeinde hat es uns so überliefert: Er „ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“ (Jes 53,7; Joh 1,29; Apg 8,32). In dem Lied vom Gottesknecht, in Jes 53 gehen dem Wort von dem Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, die Sätze voraus: „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. … Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (V.4-6) Hier habe ich aus der alttestamentlichen Lesung zum Karfreitag zitiert. Gerade diesen Jesus, der auf Golgatha starb und der dann ins Grab gelegt wurde, hat Gott wieder auferweckt; aber am Ostermorgen war sein Grab leer; Jesus ist den Frauen am Grab und seinen Jüngern erschienen. Dann wurde Jesus Christus in den Himmel aufgenommen, und er hat ein für alle Mal seinen Platz zur Rechten Gottes eingenommen (Mt 28,16-20). So lenkt Gott seine Geschichte zum Heil der Menschen weiter und weiter, auch wenn es durch finstere Täler geht.
Klagen und Hinausschreien
Jeder darf und soll seine innere Not zulassen, sie vor Gott aussprechen, sie klagen oder vor ihm hinausschreien. „Aus der Tiefe rufe ich zu dir“, so beginnt der 130. Psalm. Huub Osterhuis, Studentenpfarrer aus den Niederlanden, beginnt sein Lied mit den Worten: „Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr; fremd wie dein Name sind mir deine Wege.“[5]
Zwar beginnt Peter Frey seinen Kommentar am 12.März mit dem Satz: „Wir brauchen keine Schuldzuweisungen.“ Aber wenn jetzt ein Mensch sich klar darüber wird, dass er einen Weg geht, der ihn von Gott weg führt, und dass er seit langem nicht mehr bereit ist, nach dem Willen Gottes zu fragen, dann ist es jetzt an der Zeit, seine Schuld vor Gott zu bekennen und umzukehren. In dem vorgegeben Ablauf unseres Gottesdienstes wird ein Sündenbekenntnis gesprochen und die Gemeinde singt miteinander das „Kyrieeleison“, „Herr, erbarme dich!“. Jeder Einzelne kann dies noch heute für sich nachbuchstabieren.
Wir dürfen und sollen gerade in diesen Wochen unsere ganz persönlichen Bitten vor Gott ausbreiten. Dabei können wir so bitten, wie Kinder dies vor ihren Eltern zu tun pflegen. Wir dürfen aus tiefstem Herzen darum bitten, dass in allen Ländern, in denen sich zurzeit der Coronavirus aggressiv ausbreitet, diese Epidemie bald überwunden sein wird.
Dabei wollen wir besonders an diejenigen denken, die schon vom Coronavirus infiziert sind. Ganz besonders für diejenigen, die jetzt in Italien in ein massenhaftes Erkranken und in ein Massen-Sterben hineingezogen sind. Wie schrecklich ist es, wenn man sieht, wie der Ehepartner, die Mutter, der Vater oder das Kind im Sarg auf einem Armee-Fahrzeug hin zum nächsten Krematorium weggefahren wird, und man weiß kaum, wo dieser gerade gestorbene Mensch beerdigt wird.
Jeder kann und soll beten für die Virologen, die Ärzte und die Gesundheitsmanager, die in diesen Wochen und vielleicht noch Monate lang in unserer in Krankenhäusern und anderen Institutionen ihre Arbeit tun, noch mehr für die Krankenschwestern und Pfleger, die mit hohem Einsatz ihren Dienst tun.
Wir wollen und sollen beten für die Bundeskanzlerin und ihre Minister und Ministerinnen, für die Ministerpräsidenten und ihre Regierungen, für die Landräte und Bürgermeister, also für alle die, die jetzt das Leben in unserer Gesellschaft zu steuern haben, die Gesetze erlassen müssen und die gezwungen sind, das Halten dieser Gesetze zu überwachen.
Und für die Journalisten, die Tag für Tag gefordert sind, zu berichten und neue Aspekte der Pandemie aufzuzeigen.
Sein Vertrauen auf Gott aussprechen, auch wenn es nur so groß ist wie ein Senfkorn
Wer auch nur die Kraft des Vertrauens auf Gott in sich hat, das so mickerig ist wie ein Senfkorn (Mk 4,30-33), darf und soll dieses Vertrauen vor Gott und den Menschen bekennen.
Zur Zeit des 30-jährigen Krieges hat dies der 20-jährige Georg Neumann getan mit seinen Worten: „Wer nur den lieben Gott lässt walten / und hoffet auf ihn alle Zeit,/ den wird er wunderbar erhalten / in aller Not und Traurigkeit.“ (EG 369,1). – Aus dem Jahre 1936 haben wir von Rudolf Alexander Schröder den Vers: „Es mag sein, dass alles fällt,/ dass die Burgen dieser Welt / um dich her in Trümmer brechen./ Halte nur den Glauben fest,/ dass dich Gott nicht fallen lässt;/ er hält sein Versprechen.“ (EG 378,1)
Wer es kann, der mag und soll danken. Die Sonne scheint weiter. Es ist Frühling, noch Wochen lang; dann wartet der Sommer. Die Sträucher und Bäume grünen auf; Blumen blühen, Vögel singen; die Felder werden bestellt. Es gibt viele freundliche Begegnungen. Viele achten umsichtig auf Menschen, die handfeste Hilfe im täglichen Leben brauchen. Menschen lassen sich fordern und geben ihr Bestes, oft bis an die Grenzen ihrer Kraft. Und es gibt Menschen, für die sind auch in diesem Jahr die Wochen der Passionszeit und dann natürlich das Osterfest, das Fest der Auferweckung Jesu, wichtig.
Wer kann und mag, soll Gott loben. Vieles ist heute abgesagt; es ist aber nicht verboten, zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen zu singen und zu musizieren. An vielen Stellen überliefert die Bibel Lobgesänge aus der Tiefe. Man lese nur das Lied des Jona aus dem Bauch des Fisches in der Tiefe des Meeres (Jona 2), dann die Geschichte, in der Paulus und Silas aus dem hintersten Winkel eines Gefängnisses in Philippi heraus mitten in der Nacht gesungen haben (Apg 16,23ff) und dann die Vision vom Himmlischen Thronsaal, die Johannes auf der Insel Patmos, dem Ort seiner Verbannung im Ägäischen Meer, geschaut hat. Dort hört er, wie die Repräsentanten des Volkes Gottes, die Engel und die Menschen miteinander zum Lobe Gottes singen (Offb 5,9f.12.13).
Lob aus der Tiefe ist auch die 3. Strophe des Liedes von Pastor Fritz von Bodelschwingh. Er hat diese Worte 1938 während des sich immer steigernden Terrors der Nazi-Herrschaft geformt: „Doch ob tausend Todesnächte / liegen über Golgatha,/ ob der Hölle Lügenmächte / triumphieren fern und nah,/ dennoch dringt als Überwinder / Christus durch des Sterbens Tor;/ und, die sonst des Todes Kinder,/ führt zum Leben er empor.“ (EG 93) Von Bodelschwingh vermochte es, in jenen Jahren auszudrücken, wie aus der abgründigen Tiefe unserer Geschichte die Mächte des Nationalismus, des Antisemitismus und des Militarismus aufgerührt worden waren und unser Land, fast ganz Europa und viele Länder rund um den Erdball in Not und Elend hinein stürzte. In den Jahren 1939-1945 wurde dies Realität und verbreitete für Millionen Tod und Verderben. Pastor Fritz von Bodelschwingh aber lobt Christus, der mit seiner Auferweckung dem Tod die Macht genommen hat. Rund um den Erdball wird dies an Ostern gepredigt und gefeiert, auch jetzt im 20. Jahr des 3. Jahrtausends nach Jesu Geburt.
aufschreiben – lesen – hören – behalten
Angesichts dieser globalen Krise brauchen wir eine Botschaft, besser und genauer: eine Wirklichkeit, in die wir eintauchen können: Gott handelt nicht nur mit uns in unserer Existenz und nicht nur in dem Miteinander der Gemeinde; er wirkt auch nicht nur im Gottesdienst oder dann, wenn wir uns politisch engagieren. Er handelt auch, ja vor allem in der Geschichte. Den kann man beglückwünschen, der dies in den Blick bekommt und der damit zu rechnen lernt.
Zu der erstaunlich schön gestalteten Offenbarung des Johannes gehören 7 Seligpreisungen, auf die es sich zu achten lohnt. Die erste steht gleich am Anfang: „Selig ist, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist; denn die Zeit ist nah.“ (Offb 1,3) Wir wollen uns streng an die Aufforderung der Regierenden halten und uns nicht in unseren Kirchen und Gemeindehäusern treffen. Aber jetzt hat jeder in ungewöhnlichem Maße die Gelegenheit, inne zu halten. So vieles ist aufgeschrieben worden, was Gott uns Menschen gesagt hat. Man kann es lesen, es dann anderen vorlesen und bedenken; man kann es sich zu Herzen nehmen; und wir können uns das so Gehörte fest einprägen. Warum nicht diesen oder jenen Text auswendig lernen? Dann haben wir etwas, woran wir uns halten können, wenn wir fest in Schutzkleidung eingehüllt und mit einer Atemmaske versehen auf einer Intensivstation liegen sollten.
Wohl dem, der sich jetzt nicht nur ablenkt, der seine Stunden nicht vertut oder nicht nur über Belangloses redet! Den kann man beglückwünschen, der sich in Gottes Wort vertieft und sich tiefere und größere Dimensionen des Lebens eröffnen lässt, als sie allgemein das Denken und Reden in der Kirche und in der Öffentlichkeit bestimmen. Wer so die Worte der Weissagung, anders gesagt: das prophetische Wort (2. Petr 1,19), das alle Menschen rund um den Erdball einschließt, liest und hört, der ist selig zu preisen.
Hartmut Frische, Pfr., Minden-Hahlen
(Wer möchte, kann diesen Text weitergeben.)
[1] G. v. Rad, Das erste Buch Mose. Genesis, Das Alte Testament Deutsch, Teilband 2/4, Göttingen 1967, 8. Auflage, S. 111
[2] A. Camus, Die Pest. Roman, übersetzt von Guido G. Meister, Düsseldorf 1958
[3] Der Duden schreibt zu dem Wort „Konkordanz“: „Verzeichnis der in einem Buch vorkommenden Wörter und Begriffe (besonders als Bibelkonkordanz)“
[4] H. W. Wolff, Anthropologie des AT, München 1973, S. 111f
[5] Übersetzt von Lothar Zenetti, in: Evangelisches Gesangbuch, Nr 382